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Zoo in Straubing


TIERBEFREIUNG 63/2009

Zoo und Zirkus

Affenschande

 

Sebastian, Alfons und Lutz sind drei Schimpansen, die seit Jahren ein gänzlich artwidriges Dasein zu fristen genötigt sind, eingesperrt hinter Betonwänden, Eisengittern und Isolierglasscheiben in einem ostbayerischen Provinzzoo.

 

Über eine Viertelmillion Besucher verzeichnet der „Tiergarten Straubing“ eigenen Angaben zufolge pro Jahr, nicht wenige kommen eigens der zur Schau gestellten Schimpansen wegen, die neben Löwen, Tigern und Krokodilen zu dessen Hauptattraktionen zählen. Mehr als 1700 Tiere aus 200 Arten werden in Straubing gehalten, viele davon Exoten.

„Der Zoo“, wie es unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Charles Darwin im aktuellen Jahres-bericht des Straubinger Tiergartens heißt, „ermöglicht wie kaum ein anderer Lernort, die Vielfalt von Arten und Formen zu betrachten, zu dokumentieren und sich an ihnen zu freuen“. Es werden insofern  regelmäßig Unterrichtsgänge und Führungen für Schulklassen der Region veranstaltet, um den Kindern eine Vorstellung davon zu vermitteln, „wie sich die Mannigfaltig-keit der Tierarten im Laufe der Naturgeschichte entwickelt haben könnte“.1

Tatsache ist freilich: ein Zoo eignet sich zu nichts weniger, als einen sinnfälligen Bezug zur Natur herzustellen. Gerade deshalb fällt es den Besuchern auch nicht auf, dass die Tiere fort-gesetzt leiden. Selbst bei den Schimpansen des Straubinger Tiergartens fällt es ihnen nicht auf, gleichwohl deren Leid ins Auge springen müsste. Sie werden in einem völlig unzulänglichen Betonkasten gehalten, der noch nicht einmal den Mindestanforderungen entspricht, die das zuständige Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft nach jahrzehntelangem Kampf engagierter Tierschützer und Tierrechtler im Jahre 1996 aufgestellt hat.

Wie der verantwortliche Veterinäramtsleiter der Stadt Straubing, Dr. Franz Able,  hierzu mitteilt, sei das Affenhaus bereits gebaut worden, bevor diese Haltungsrichtlinien erlassen wurden. Es sei insofern „vielleicht wünschenswert, die Gestaltung der Innengehege noch zu verbessern. Allerdings ist das schwierig, weil sie aus Beton bestehen.“ Es dürfe nicht über-sehen werden, dass die Tiere auch über ein „Freigehege“ verfügten. Tatsächlich wurde an den Betonkasten ein Freiluftkäfig angebaut: winzig klein, eisenstangenvergittert und ohne Wetter-schutz. Grundsätzlich, so Dr. Able, entspreche die Schimpansenhaltung in Straubing den Richtlinien: „Die Eignung eines Geheges kann man nicht allein nach zentimetergenauer  Einhaltung von vorgegebenen Maßen beurteilen. Eine wesentliche Rolle spielen auch die Betreuung der Tiere und genügend Beschäftigungsmöglichkeiten.“ Im Übrigen werde die Anlage regelmäßig durch das Landratsamt sowie die Regierung von Niederbayern kontrolliert. Fazit: „Den Schimpansen im Zoo Straubing geht es gut“.2

Die Frage, weshalb es Haltungsrichtlinien, die die Mindestgröße von Wildtiergehegen vorschreiben, überhaupt gibt, wenn einzelne Zoos sich beliebig darüber hinwegsetzen und auf „Bestandsschutz“ ihrer heillos veralteten Anlagen pochen können, beantwortet Veterinäramts-leiter Able nicht. Ungeachtet landratsamtlicher oder sonstiger Kontrollen: die Haltung der drei Schimpansen im Straubinger Zoo ist und bleibt schon alleine der nicht ausreichenden Gehege-größe wegen tierschutzgesetzwidrig.

Die Behauptung von Veterinäramtsleiter Able, die Schimpansen zeigten „keine auffälligen Verhaltensstörungen“, ist reine Schutzbehauptung zur Abwehr von Kritik. Selbst einem Laien müssten die stereotypen Bewegungsmuster von Alfons und Lutz, beide 16 Jahre alt, auffallen, die auf massiven Hospitalismus hindeuten, wie es ihn auch bei autistischen Kindern gibt. Dr.Able hingegen spielt die offenkundigen Symptome schwerer Deprivation - vor allem die repetitiven Stereotypien ("Fensterputzen", "Bodenputzen") und Jaktationen (Kopfwackeln, Körperschaukeln), das ziellose Hin-und-Hergehen, aber auch die bis zur Apathie reichende Teilnahmslosigkeit - zu harmlosen „Marotten“ herunter. Auch der mittlerweile 33jährige Sebastian erscheint schwer verhaltensgestört. Nach Auskunft des Veterinäramtes hingegen ist er nur „sehr ungesellig“ und müsse deshalb alleine gehalten werden. Gleichwohl könne aber nicht von Isolationshaltung die Rede sein: „Die Schimpansen können zwar nicht in einer Gruppe gehalten werden, können aber am Gitter miteinander Kontakt aufnehmen. Sie können sich sehen, hören und auch berühren.“3 Bis 2001 teilte Sebastian sein als „Gehege“ bezeich-netes Betongefängnis mit einem weiteren Schimpansen namens Cain. Dieser überlebte eine offenbar unsachgemäß vorgenommene Narkose nicht. Seither lebt der „ungesellige“ Sebastian alleine. Sein „Spielmaterial“ besteht aus einem kaputten Ball, einer Plastiktonne und einem ausrangierten Schlafsack. Die „Klettereinrichtungen“ in dem grün angestrichenen Betonkasten sind völlig unzureichend, Rückzugsmöglichkeiten gibt es nicht.

Der aktuelle Betreuungschlüssel des Straubinger Zoos liegt bei 15 Pflegern plus 6 Azubis für 1700 Tiere, die durchschnittliche Pflegezeit pro Tier, einschließlich Fütterung und Käfig-reinigung, beträgt weniger als 4 Minuten pro Tag.4

Aber selbst wenn die Affenanlage vergrößert, das Beschäftigungsangebot erweitert und der Personalschlüssel erhöht werden sollten  - worauf es keinen Hinweis gibt -, bliebe Schimpansenhaltung in einem Zoo immer artwidrige Qualhaltung. Schimpansen sind die nächsten Verwandten des Menschen, sie unterscheiden sich genetisch von diesem in weniger als 1,3 Prozent, in einigen Gensequenzen nur im Promillebereich; letztlich sind sie mit dem Menschen enger verwandt als etwa mit Gorillas oder Orang Utans. Nach allem, was Biologie und vergleichende Verhaltensforschung wissen, empfinden Schimpansen zu größtem Teil genau so wie Menschen: Freude, Leid, Trauer, Schmerz; ihre kognitiven, sozialen und kommunikativen Fähigkeiten sind denen des Menschen sehr ähnlich.

Die Frage, weshalb Zoobetreiber und Zoobesucher ebendiese enge Verwandtschaft zwischen Schimpanse und Mensch und das Unrecht, erstere hinter Betonwände, Eisengitter und Isolierglasscheiben zu sperren, so notorisch verdrängen oder verleugnen, beantwortet Primatenforscher Volker Sommer wie folgt: „Affen sind den Menschen nahe, aber die Nähe ist nur ein Beinahe. Das führt zu einem Dilemma: Weil uns hinreichend ähnlich, werden unsere Verwandten als abgerichtete Witzfiguren in Fernsehen und Zirkus missbraucht, zum Anstarren in Zoos eingesperrt oder als Lieferanten von Blut und Organen ausgeschlachtet. Sie gelten jedoch zugleich als hinreichend verschieden von uns, so dass ihnen keine Rechte zustehen. Den Graben zwischen uns und ihnen schüttet aber nicht nur die Verhaltensforschung rasant zu, sondern auch die moderne Genetik.“ Mit Jane Goodall, Biruté Galdikas, Roger Fouts, Toshi-sada Nishida und anderen namhaften Primatologen betont Sommer: „Es ist wissenschaftlich unhaltbar, überhaupt zwischen Menschen und Menschenaffen zu unterscheiden.“5

Seit Jahren kämpft eine Straubinger Tierrechtsorganisation darum, die drei Schimpansen aus ihrem Elendsdasein zu befreien. Eine Schande sei es für Straubing und ganz Ostbayern, so eine aktuelle Kampagne, dass im 200.Geburtsjahr von Charles Darwin im örtlichen Zoo immer noch Schimpansen gefangengehalten und hinter Eisengittern zur Schau gestellt würden. Es sei an der Zeit, die Schimpansenanlage aufzulösen und Sebastian, Alfons und Lutz an einen artgerechten und geschützten Ort zu verbringen, beispielsweise in die Stiftung AAP in Holland, die Schimpansen und andere exotische Tiere aus Laboratorien, Zirkussen und Zoos aufnimmt.6 Selbstredend, so die Gruppe TierrechteAktiv e.V., stehe der Einsatz für die drei Straubinger Schimpansen stellvertretend für den Kampf um ein Verbot von Primatenhaltung überhaupt.7

Erwartungsgemäß gibt es erbitterten Widerstand gegen das Ansinnen, die Straubinger Schimpansenhaltung zu beenden, vor allem seitens lokaler Politiker, Medienvertreter und Geschäftsleute, die immer schon mit dem Zoo als Werbepartner paktieren. In der Tat, wie Volker Sommer schreibt, „halten uns Affen den Spiegel vor. Es diente unserer Selbsterkennt-nis ungemein, dass Charles Darwin 1871 behauptete, der Mensch stamme vom Affen ab. Damit stellte er jenes Schema auf den Kopf, wonach der von Gott engelgleich erschaffene Mensch durch die Sünde zu Fall kam. Darwin kehrte den «Abstieg von den Engeln» um in einen «Aufstieg von den Affen», machte aus einer eher schmeichelhaften «Devolution» eine ernüchternde «Evolution». Noch immer fühlen sich Menschen hierdurch in ihrer Würde verletzt, sehen sie Affen doch als Karikaturen, als unvollkommene Entwürfe für die Krone der Schöpfung. Und Geisteswissenschafter postulieren noch immer dogmatisch einen un-überbrückbaren Graben zwischen «dem Tier» und «dem Menschen». Dabei kann es so faszinierend sein, sich dem Evolutionsgedanken radikal zu öffnen, sich als lediglich eine besondere Art von Tier zu begreifen. Für mich ist es nicht erniedrigend, sondern erhebend, mit allen anderen Lebensformen verbunden zu sein durch einen äonenalten Strom von Generationen.“8

Die Straubinger Tierrechtsorganisation veranstaltet regelmäßig Infotische vor dem Zoo und in der Fußgängerzone der Stadt und erfährt dabei viel positive Resonanz seitens der Bevölke-rung. In den Köpfen der Verantwortlichen tut sich allerdings nichts, ganz im Gegenteil. Einen für  Ende März 2009 angemeldeten Infotisch suchte die Stadtverwaltung mit formalrechtlichen Winkelzügen auszubremsen. Gleichwohl fand er wie geplant statt, von den zum Gespräch eingeladenen Vertretern von Zooverwaltung, Veterinäramt, Stadt und lokalen Medien tauchte erwartungsgemäß niemand auf. 

Auf der kurze Zeit später stattfindenden Jahreshauptversammlung des "Vereins der Freunde des Tiergartens e.V." hob Oberbürgermeister Markus Pannmayr (CSU) die "enorm wichtige Rolle" des Tiergartens für Straubing hervor: Als "moderner, wissenschaftlich geleiteter Zoo" sei dieser ein "Aushängeschild für die Stadt". Ausgiebig sonnte man sich in der Zahl von knapp 300.000 Besuchern im Jahr 2008. Anstatt mit Blick auf die Schimpansenhaltung zumindest ansatzweise Selbstkritik zu üben, zogen die "Freunde des Tiergartens" mit Vehemenz über die "unqualifizierten Äußerungen" der Tierrechtler her. Einsicht: null.

Geplant ist insofern als nächster Schritt eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den zuständi-gen Amtstierarzt wegen Verstoßes gegen §16a TierSchG i.V.m. Art.20a GG und §1 TierSchG, demzufolge Amtstierärzte als sogenannte „Beschützergaranten" für das Wohl der Tiere und die Einhaltung des Tierschutzrechts zuständig sind und als solche verpflichtet, gegen tierschutzrechtswidrige weil gegen Normen des Tierschutzrechts verstoßende Handlungen und Zustände einzuschreiten. Diese persönliche Pflicht einzelner Amtstierärzte beruht auf der entsprechenden Pflicht der Behörde, für die sie tätig sind und deren Erfüllung ihnen als dienst-liche Aufgabe obliegt. §16a TierSchG eröffnet Amtstierärzten kein Entschließungsermessen. Stattdessen müssen sie immer handeln, wenn in ihrem Zuständigkeitsbereich Verstöße gegen Tierschutzrecht begangen wurden, noch werden oder bevorstehen. Bleiben Amtstierärzte untätig, obwohl die Voraussetzungen der Generalermächtigung des §16a TierSchG erfüllt sind, können sie selbst Straftaten i. S. d. §17 TierSchG durch Unterlassen begehen.

Colin Goldner

Fußnoten:

1 Tiergarten Straubing: Jahresbericht 2007, 3/2008, S.13

2 Able, Franz: „Den Schimpansen im Zoo geht es gut“ (Interview). in: Straubinger Rundschau vom 21.2.2009, S.39

3 ebenda

4 vgl. Tiergarten Straubing: Jahresbericht 2007, 3/2008, S.7.

5 Sommer, Volker: Bruder Affe. in: Neue Zürcher Zeitung (NZZ Folio) 8/2003, S.14f. (auch: www.ucl.ac.uk/gashaka/Afrika/)

6 www.aap.nl

7 www.tierrechte-straubing.de

8 Sommer, Volker: Bruder Affe. in: Neue Zürcher Zeitung (NZZ Folio) 8/2003, S.14f. (auch: www.ucl.ac.uk/gashaka/Afrika/)

 

 

aus: TIERBEFREIUNG 63, Juni 2009, S. 56-57

 


TIERBEFREIUNG 64/2009

LeserInnenbrief zu „Affenschande", Heft 63

Ich kenne den Straubinger Zoo seit meinen Kindertagen und immer schon haben mir die eingesperrten Schimpansen besonders leid getan. Ich könnte heulen, wenn ich an sie denke. Umso mehr macht mich das Betonkopfverhalten von Zoodirektor Wolfgang Peter wütend, der gebetsmühlenartig wiederholt, es sei kein Geld für eine Umgestaltung der Schimpansenanlage vorhanden, die diese wenigstens auf den - in sich völlig ungenügenden - Minimalstandard des Säugetiergutachtens der Bundesregierung von 1996 bringen könnte. Da Peter die Anlage auch nicht aufzulösen bereit ist, sollen die drei Schimpansen Sebastian, Alfons und Lutz wohl in dem vorsintflutlichen Betonkasten bleiben bis sie verschimmeln.

Tatsache ist: der Zoo wird von der Stadt Straubing jährlich mit mehr als 500.000 Euro bezu-schusst, dazu kommen 100.000 Euro Zuschuss aus Mitteln der Kulturstiftung des Bezirkstages von Niederbayern sowie ein nicht unerheblicher Zuschuss aus Mitteln des Landkreises. Zusammen mit den eingenommenen Eintrittsgeldern in Höhe von rund 800.000 Euro, den zahllosen Spenden, Sponsorengeldern und Patenschaften verfügt der Zoo über ein stattliches Jahresbudget, aus dem auch fortlaufend Großinvestitionen getätigt werden: in den letzten Jahren wurden 500.000 Euro für das Aquarium ausgegeben, 200.000 Euro für das sogenannte Steinzeithaus, für die Imbissbude 60.000 Euro, die Pinguinanlage 90.000 Euro, die Vogelvoliere 500.000 Euro. Im letzten Jahr fertig gestellt wurden eine neue Flamingoanlage, ein neuer Kinderspielplatz sowie ein repräsentativer neuer Eingangs- und Kassenbereich; hinzu kamen im laufenden Jahr der kostenintensive Neubau der Makakenanlage sowie die Errichtung einer neuen „Afrikaanlage" für Watussirinder und Steppenzebras, mit Gesamtkosten im Millionen-bereich. Geld ist also zur Genüge da, man investiert es nur nicht in die bestehende Schimpansenanlage oder anderen Altbestand, sondern lieber in prestigeträchtige Neuprojekte, die neue Besucher anziehen sollen. Wie es den Schimpansen dabei geht, ist Nebensache.

Auf Einsicht seitens des Zoodirektors und der sonstigen Verantwortlichen ist nicht zu hoffen. Nur öffentlicher Druck kann zur Beendigung der tierquälerischen Schimpansenhaltung in Straubing führen. Anfang 2002 wurden durch das zuständige Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz schwerwiegende Mängel im Straubinger Zoo festgestellt, die weitere Haltung von Leoparden und Eisbären wurde dem Zoo untersagt. Einer der Leoparden wurde auf Anordnung des Ministeriums eingeschläfert, nachdem Tierrechtler dem Ministerium einen Videofilm zugeschickt hatten, auf dem das namenlose Leid der Großkatze dokumentiert war. Der Leopard hatte die meiste Zeit sein Lebens in einer Holzkiste mit einer Grundfläche von weniger als 4 qm verbracht. Verfaulter Boden, stinkend nach eigenen Exkrementen und Nahrungsresten, ohne jegliche Innenausstattung. Ein Fenster, vergittert, verschmutzt. Zoo-direktor Peter hatte auch hier keinen besonderen Mangel erkennen mögen.

Der Tiergarten Straubing ist eine Schande für ganz Ostbayern! Danke an Colin Goldner und die TIERBEFREIUNG, das an eine größere Öffentlichkeit gebracht zu haben. Bitte bleibt an der Sache dran!

Sabine Hufnagl

gebürtige Straubingerin



TIERBEFREIUNG 64/2009

 

Schimpansen im Tiergarten Straubing

Am 8. Juli 2009 berichtete der Bayerische Rundfunk (BR/ARD) in seinem Polit-magazin „Kontrovers“ über die Schimpansenhaltung im Provinzzoo Straubing (siehe auch ausführlichen Bericht in TIERBEFREIUNG 63) In zahllosen Telephonaten mit der Redaktion war es TR-Aktivisten gelungen, diese für das Thema zu interessie-ren. Entscheidender Punkt dabei war, dass dem BR mit Dr.Signe Preuschofft eine weltweit anerkannte Primatologin angeboten werden konnte, die eigens aus Wien anreisen und sich vor Ort zu den Haltungsbedingungen der drei Schimpansen äußern wollte.

Hinter den Kulissen

Schon vor Beginn der Dreharbeiten setzte sich Zoodirektor Wolfgang Peter lautstark in Szene. Vor allem der TR-Aktivist Peter Druschba, der die Schimpansenhaltung im Straubinger Zoo seit Jahren kritisiert, wurde von ihm aufs Übelste beschimpft und beleidigt. Peter, ein massiger Mann und berüchtigt für seine cholerischen Anfälle, brüllte sich regelrecht in Rage, an Druschba gerichtete Schmähungen wie "asoziale Drecksau" und "blöder Zipfel" waren dabei noch die harmlosesten.

Unbeteiligte Zoobesucher waren entsetzt über das rüpelhafte Benehmen und die vulgäre Wortwahl; und noch entsetzter, als sie erfuhren, dass es sich um den Direktor des Zoos handelte. Es fehlte nicht viel, so hatte es den Anschein, und Peter wäre Druschba an den Kragen gegangen. Auch eine Vertreterin des Bundesvorstandes "Menschen für Tierrechte", die dem Zoodirektor eine Frage zu stellen wagte, wurde in rüder Manier abgekanzelt.

Die miesen Tricks des Zoodirektors

Dem Fernsehteam des BR gegenüber hielt Peter sich wohlweislich in Zaum. Mit großer Geste führte er seine Schimpansenanlage vor, die ausweislich eigens neu angebrachter Hinweistafeln Anfang der 1990er "extra dazu errichtet wurde, missbrauchte und misshandelte Schimpansen aufzunehmen und in einer Gruppe wieder einzugliedern". Tatsächlich bot der Betonkasten noch nie Platz für mehr als vier Schimpansen, nach den Richtlinien des bundesministeriellen Säugetiergutachtens von 1996 ist er selbst für die gegenwärtig dort eingesperrten drei Schimpansen zu klein.

Aber Peter hatte noch weiter vorgebaut: Um einen besseren Eindruck zu erwecken, hatte er kurz vor dem Drehtermin die tristen Innenräume der Schimpansenanlage hellgrün anstreichen und zudem ein paar bunte Blümchen an die Wand malen lassen. Auch ein paar neue Spiel-geräte hatte man angeschafft und die Frontscheiben geputzt. Als Gipfel der Augenwischerei hatte er den beiden Schimpansen Alfons und Lutz ein an den Betonkasten angrenzendes Inselareal zugängig gemacht, auf dem sie bislang noch nie zu sehen gewesen waren. Der völlig intakte Pflanzenbewuchs dieser Insel belegte augenfällig, dass dort nie Schimpansen herum-toben, dass es vielmehr darum ging, den Fernsehleuten eine tolle Freianlage vorzugaukeln, die es als solche tatsächlich gar nicht gibt. Einer der anwesenden Tierrechtler wies darauf hin, dass vor Ankunft des TV-Teams Nüsse ins Gras geworfen und die Bäume mit Erdnussbutter bestrichen worden seien, um vor laufender Kamera entsprechend agile und aufgekratzte Tiere präsentieren zu können. Primatenexpertin Signe Preuschoft ließ sich freilich nicht hinters Licht führen: "Ein derartiges Gehege", so ihr eindeutiges Urteil, "insbesondere die Innenanlagen, werden den Bedürfnissen von Menschenaffen nicht gerecht. Es unterschreitet die Anforderun-gen des Säugetiergutachtens. Und das Säugetiergutachten fällt Meilen hinter das der Welt-Zoo-Organisation zurück."

Um Ausreden nicht verlegen

Peter berief sich wortreich auf "Bestandsschutz": das Gebäude sei 1992 errichtet worden, also vier Jahre vor Erlass der ersten Haltungsrichtlinien. Viel verändern könne man da nicht: "Da müsste man, glaub ich, relativ viel kaputt machen, erst einmal, weil das ein Betongebäude ist: Jeder, der weiß, was es bedeutet, so ein Betondach runterzunehmen, der weiß auch, was damit für Kosten verbunden sind." Eine Auflösung der Schimpansenhaltung - sprich: ein Umzug von Sebastian, Alfons und Lutz an einen geeigneteren Ort -, komme überhaupt nicht in Frage. Im Übrigen, wie Amtstierarzt Franz Able eilfertig bestätigte, komme es auf die Gehegegröße gar nicht an, diese habe, wie er glaube, "keinen negativen Einfluss auf das Verhalten der Tiere".

Dem renommierten Primatologen Prof. Volker Sommer, dem die Aufnahmen des BR zur Bewertung vorgespielt wurden, war deutlich anzusehen, wie sehr ihn die Bilder der Schimpansen im Straubinger Zoo berührten: "Man muss sich vorstellen, dass diese Tiere so wie wir als ,Menschentiere' eine Vorstellung von der Zukunft haben. Die erkennen die Ausweglosigkeit ihrer Situation. Die sind da für Jahrzehnte untergebracht. Und die werden da nie wieder rauskommen. Das ist das, was sich in deren Kopf vermutlich abspielt: Was wir als Menschen Verzweiflung nennen würden."

Wenn nichts geschieht, so der Abspann der Sendung, werden die drei Schimpansen noch Jahre so zubringen müssen:. Sebastian ist 34 Jahre alt, Lutz und Alfons sind 17. Schimpansen aber können bis zu 70 Jahre alt werden.

Colin Goldner

Linktipps:

Lebenslänglich im Tiergarten Straubing: www.tierrechte-straubing

BR-Beitrag online: kontrovers

Kurzfassung des Vortrages von Colin Goldner auf dem „Tierbefreiungskongress 2009“ >> hier

 

aus: TIERBEFREIUNG 64, Oktober 2009, S. 58-59

 


TIERBEFREIUNG 65/2010

 

Neues von den Straubinger Schimpansen

Wie berichtet (siehe TIERBEFREIUNG 63/64) werden in einem niederbayerischen Provinzzoo drei Schimpansen - Sebastian, Alfons und Lutz - unter indiskutablen Bedingungen in einem Betonkasten gehalten.

Auf Initiative örtlicher TR-AktivistInnen und vor dem Hintergrund eines kritischen Berichtes im Bayerischen Fernsehen richtete die Landtagsfraktion von B90/Die Grünen Anfang August 2009 eine parlamentarische Anfrage an die Bayerische Staatsregierung, in der um Aufklärung zur Sache gebeten wurde  Die Antwort des zuständigen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit liegt inzwischen vor.(1) Erwartungsgemäß wird auf die wesentlichen Punkte der Anfrage unvollständig, irreführend, falsch oder überhaupt nicht eingegangen. An manchen Stellen wird dahergelogen, dass sich die Balken biegen, was die Vermutung nahelegt, dass das zuständige Ministerium einfach beim Straubinger Tiergarten angerufen und sich die Antworten von dort hat diktieren lassen.

So heißt es etwa zur Frage nach den Maßen der Straubinger Schimpansenanlage, die beiden Innengehege wiesen eine Grundfläche von je ca. 21 m2 auf, die Raumhöhe betrage 3,50m. Die Schlafboxen der Schimpansen stünden auch tagsüber offen und könnten als Rückzugsmöglichkeit genutzt werden.

Tatsächlich liegt die Raumhöhe nur bei 3m und unterschreitet damit das im Säugetiergutachten von 1996 geforderte (und in sich völlig unzureichende) Mindestmaß von 4m um 25%. Die geforderte Grundfläche von 25m2 für je zwei Tiere wird in der gemeinsamen Haltung von Alfons und Lutz um 16% unterschritten, das geforderte Raumvolumen des Geheges folglich um ganze 37%.(2) Während der kalten Jahreszeit haben die Tiere keinen Zugang zum sogenannten Freigehege, sie können also die viel zu kleine Innenanlage über Monate hinweg nicht verlassen. Sie haben dort keinerlei Rückzugsmöglichkeit oder Sichtschutz: die Schlafboxen stehen tagsüber NICHT offen, vielmehr werden sie morgens verschlossen, so dass die Schimpansen für die Besucher jederzeit beobachtbar bleiben

Da die Gehege der Straubinger Schimpansenanlage allein von ihrem Raumvolumen und den mangelnden Rückzugsmöglichkeiten her eine „artgerechte Haltung“ gemäß den Richtlinien des Rates der Europäischen Union (Richtlinie 1999/22/EG Art.3) nicht zulassen, deren Einhaltung Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis ist, müsste diese gemäß Art 4(5a/b) der Richtlinie dem Tiergarten Straubing sofort entzogen werden; hilfsweise müsste ein Haltungsverbot für die Schimpansen ausgesprochen werden.(3)

Dass zumindest letzteres grundsätzlich möglich und auch durchsetzbar ist, zeigt sich in einem 2001 gegen den Straubinger Zoo verfügten Haltungsverbot für Eisbären, deren Gehege hinsichtlich Größe und Beschaffenheit als richtlinienwidrig befunden wurde. Die über Jahre hinweg auf einem völlig unzulänglichen Betonareal zusammengepferchten Eisbären mussten an andere Einrichtungen abgegeben werden, eine Neuaufnahme von Eisbären wurde dem Zoo auf Dauer untersagt.

In vorliegendem Fall hingegen sieht die Bayerische Staatsregierung keinerlei Anlaß, einzuschreiten. Auch mit Blick auf die zugegebenermaßen unzulänglichen Haltungsbedingungen der drei Schimpansen wird nach Kräften abgewiegelt.

Während immerhin zugestanden wird, dass Schimpansen „normalerweise in einer Gruppe leben“ und deshalb die Einzelhaltung von Sebastian „nicht den natürlichen Bedürfnissen von Schimpansen“ entspricht, wird darauf verwiesen, dass Sebastian gewissermaßen selbst an seinen Lebensumständen schuld sei: er sei „wegen Unverträglichkeit gegenüber den beiden anderen Affen dauerhaft in Einzelhaltung untergebracht“. Im Übrigen habe man durchaus „Versuche zur Vergesellschaftung aller Schimpansen unternommen“, die aber „keinen Erfolg“ gehabt hätten.

Tatsächlich war ein Versuch der Neuvergesellschaftung  Sebastians im Jahre 2001 in äußerst dilletantischer Manier von fachlich unqualifiziertem Zoopersonal, sprich: ohne Hinzuziehung primatologischer Experten durchgeführt worden. Sebastian hatte bis dahin problemfrei mit einem weiteren Schimpansen namens Cain in seinem Gehege gelebt, der auf ungeklärte Weise im Zuge einer Narkose verstorben war.

Aus dem Umstand, dass die Haltung von Sebastian als nicht artgerecht eingeräumt wird - er lebt seit neun Jahren in Isolation -, ergibt sich freilich keinerlei Konsequenz. Umsoweniger aus dem unterschlagenen Umstand, dass auch die paarweise Haltung von Alfons und Lutz den Richtlinien für „artgerechte Haltung“ widerspricht.. Laut o.a. Säugetiergutachten ist „eine dauerhafte paarweise Haltung von Schimpansen unnatürlich und daher abzulehnen“. Die Haltungserlaubnis müsste insofern sofort entzogen werden.

Stattdessen aber, wie die Bayerische Staatsregierung dekretiert, „muß die Schimpansenhaltung im Tierpark Straubing vorläufig geduldet werden.“ Die Anregung, „die Haltung unter Einbindung eines Sachverständigen für Primatenhaltung möglichst zu optimieren“ ist völlig unverbindlich, desgleichen die Ansage, es solle „langfristig die Schimpansenhaltung aufgegeben werden“.

Ungeklärt bleibt: Was genau soll in welcher zeitlichen Perspektive „optimiert“ werden? Und wann genau und mit welcher Perspektive für die drei Schimpansen soll die Schimpansenhaltung aufgegeben werden? Die Behauptung der Staatsregierung, es habe „der Tierpark Straubing bereits Kontakt mit der Primatenauffangstation aap in Amstelveen, NL, aufgenommen und um Übernahme der Schimpansen oder zumindest von Sebastian gebeten“, ist laut schriftlicher Auskunft der Direktion von aap unzutreffend: eine entsprechende Kontaktnahme seitens des Tiergartens Straubing habe es nie gegeben.

Falls sich nichts tut, sitzen die drei Schimpansen auf gänzlich unabsehbare Zeit in ihrem Betonkasten. Bekanntlich haben Schimpansen in Gefangenschaft eine Lebenserwartung von bis zu 70 Jahren: Lutz und Alfons sind 17 Jahre alt, Sebastian ist 34.

Um das zu verhindern haben niederbayerische Tierrechtsaktivisten rechtliche Schritte gegen das zuständige Ministerium auf Entzug der Betriebserlaubnis bzw. Haltungsverbot für Primaten im Tiergarten Straubing eingeleitet. Auch eine Strafanzeige gegen den zuständigen Amtstierarzt (anstelle der ursprünglich geplanten Dienstaufsichtsbeschwerde, die angesichts der Positionsnahme der Staatsregierung keine Aussicht auf Erfolg hätte) wegen Verstoßes gegen die Verpflichtungen aus seiner Amtsstellung als sogenannter „Beschützergarant“ nach §16a TierSchG  ist in Vorbereitung.

Colin Goldner

 

1 Anfrage von B90/Die Grünen vom 6.8.2009 sowie Antwort der Bayerischen Staatsregierung vom 10.10.2009 (Drucksache 16/2067) >> hier

2 vgl. Säugetiergutachten

3 vgl. EU-Richtlinie

 

 

aus: TIERBEFREIUNG 65, März 2010, S.46-47


 

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